Ausgang mit Uffzel

Ehemalige Gaststätte Tiefenbrunn, 2021.

Meine Versetzung von Göttengrün nach Posseck hatte einen großen Nachteil für mich: Die Kaserne in Göttengrün lag außerhalb des Sperrgebiets und so konnte ich dort Besuch empfangen. Die Kaserne in Posseck lag innerhalb des Sperrgebiets. Mein neuer Staffelführer, wir nennen ihn mal Fähnrich Franky, holte mich persönlich mit seinem Dienstmotorrad, einer ETZ, ab. In Posseck angekommen zeigte er mir meine Sau. Also- ich bekam kein Schwein, sondern eine Sau war ein Bett. Er hob die Decke an und siehe da: zwei Flaschen Schnaps kuschelten in meiner Sau. Er meinte „ Oh dein Einstand ist ja schon da.“. Das war sozusagen eine inoffizielle Einführung in die inoffiziellen Gepflogenheiten der Hundestaffel Posseck. Natürlich wurden die Flaschen am selben Abend noch geköpft. Die Zwingeranlage bestand aus ungefähr 20 Hundezwingern, einem Lagerraum, einer Küche- oder besser gesagt: Fleischhackzentrum und einem Aufenthaltsraum. Die Anlage lag ganz versteckt im letzten Teil der Kaserne und war von einem Zaun umgeben. Bei unseren Privatfeiern liessen wir immer einige Wachhunde in der Anlage herumlaufen und als Dank ließen diese niemanden, der nicht willkommen war, durch das Eingangstor .Zur Hundestaffel gehörte ein Unteroffizier- wir nannte ihn "Uffzel". Uffzel war ein Mensch, der Unglücke, Unfälle, Ärger und Sonstiges magisch anzog. Das wusste ich aber am ersten Abend noch nicht und sagte zu, mit Ihm in Ausgang zu gehen.

Ausgang war so etwas, wie in der Ehe- wenn die Ehefrau ihrem Mann erlaubt in Wirtshaus zugehen. Also selten. Später erfuhr ich, dass Uffzel eine zwei-monatige Ausgangssperre hinter sich hatte.. und das Ende wollte er halt mit mir feiern. Natürlich wunderte ich mich schon, als mich der Eine oder Andere auf der Kompanie ansprach. „ "Was? Du gehst mit Uffzel in Ausgang?“. Ich ging aber ganz ohne Vorurteile die Sache an. Uffzel war schon eine Nummer für sich und eins musste ich ihm zugestehen- er wusste, wie man feiert. Wir waren damals in Tiefenbrunn. Zu Fuß die Straße entlang, brauchte man mindestens eine gute halbe Stunde. Punkt 12 Uhr musste man unbedingt zurück sein, sonst gabs es mächtig Ärger und es konnte sogar so etwas, wie Grenzalarm ausgelöst werden. Da wir mehrere Male ein letztes Glas bestellten, kamen wir sehr in Zeitnot. Aber Uffzel meinte "kein Problem"- er kennt eine gute Abkürzung durch den Wald. Also stolperte ich Uffzel hinterher, als er auf dem Heimweg in den Wald abbog. Da es rabenschwarz dunkel war, folgte ich nur dem Gesang von Uffzel. So nahm das Unglück seinen Lauf. Es dauerte nicht lange und Uffzels Mütze war verschwunden. Auf allen Vieren kriechend tasteten wir den Waldboden ab. Aber der Wald hatte die Mütze verschluckt. Nun fiel auch noch Uffzel die Brille runter und er krabbelte über sie hinweg. Damit war seine Brille unbrauchbar geworden. Schließlich hatte ich auf einmal wieder ein Bild im Kopf, wie wir die Treppen der Gaststätte herunter stolperten und ich wusste sofort: Uffels Mütze hatte die Gastätte gar nicht verlassen. Also konnten wir tapfer weitermarschieren. Nach kurzer Zeit verstummte Uffzels Gesang auf ein Neues. Natürlich unterbrach ich auch gleich meinen Gesang und fragte, was los sei. Uffzel war diesmal in einen Bach gestiefelt und steckte jetzt fest. Mit vereinten Kräften gelang es uns beiden, Uffzel wieder dem Bach zu entreißen. Bloß sein linker Schuh wollte nicht den Bach verlassen. Da wir jedes Zeitgefühl verloren hatten, aber schon noch wussten, dass wir schnell weiter mussten, überließen wir den Schuh den Fluten. Irgendwann erreichten wir die Kompanie am hintersten Teil. Uns hinderte nur ein Holzzaun vor unserer Heimkehr. Also griffen wir mit letzter Kraft das feindliche Hindernis an. Natürlich besiegten wir ihn und vielen mit ihm ins Gelände. Leider aber auch auf die Schnur eines Signalgeräts. So rückten wir- mit Feuerwerk- zu spät in die Kompanie ein. Außer dem Offizier vom Dienst erwartete uns der Kompaniechef persönlich. Das Gebrülle der Offiziere weckte jetzt auch den letzten Schlafenden auf. Erst jetzt sah ich Uffzel richtig im Licht. Er sah eigentlich gar nicht mehr aus, wie ein Grenzsoldat in Ausgangsuniform, eher wie ein Vagabund mit einem Schuh, ohne Mütze, halber Brille und weiteren Schäden. Irgendwie wurde ich gar nicht wahrgenommen. Der ganze Zorn der Offeziere richtete sich gegen Uffzel. Der versuchte noch eine ordentliche Meldung zu machen und riss seine Hand hoch zur nicht vorhandenen Mütze zum militärischen Gruß. Bloß so richtig gerade stehen konnte er auch nicht mehr. Irgendwann wurde ich auch wahrgenommen. „Was stehen sie hier noch rum? verschwinden sie.“

So kam es, dass ich auch zwei Monate Ausgangssperre bekam und mit Uffzel zur Zaunausbesserung ums ganze Objekt in unserer wenigen Freizeit verdonnert wurde. Jetzt ratet mal, wie oft sich Uffzel mit dem Hammer auf die Finger gehauen hat. Ich weiß es nicht mehr, ich hatte aufgehört, zu zählen.                                                                                        

 

 Links Oben ich und links Unten Uffzel.

Uffzels Mütze

 

Signalgerät  R-67, konnte mit verschieden farbigen Leuchtraketen oder mit Platzpatronen geladen werden.